Folgen von Bi+ Feindlichkeit

Bi+feindlichkeit & Bi+ Erasure

Zugegeben, das ist ein bisschen wie das Henne-Ei-Problem. Was war zuerste da? Bi+feindlichkeit oder Bi+Erasure? Fakt ist, sie gehen Hand in Hand und bedingen sich gegenseitig. Die in den folgenden Slides aufgeführten Sachverhalten sind als direktes Ergebnis von Bi+feindlichkeit und Bi+ Erasure zu verstehen. Gleiches gilt für die bi+spezifischen Vorurteile und Klischees, die in einem extra Post aufgelistet sind. All diese Aspekte sind miteinander verbunden. Was Bi+ Erasure ist und wie es wirkt, steht einem extra Beitrag. Gleiches gilt für Bi+feindlichkeit.

Bi+sexuelle Frauen werden am stärksten sexualisiert

Bi+sexuelle Frauen (und solche, die als Frauen gelesen werden), werden bei Kenntnis über die sexuelle Orientierung hypersexualisiert. Es kusiert auch die Annahme, dass bi+sexuelle Frauen akzeptierter seien als bi+sexuelle Männer. Aber diese vermeintliche Akzeptanz heißt meistens nur, von heterosexuellen cis Männern und der Popkultur sexy gefunden und fetischisiert, sprich hypersexualisert. Das ist nichts Positives und hat nichts mit Akzeptanz zu tun. Heterosexuelle Frauen werden oft auch von heterosexuellen cis Männern unter Druck gesetzt, zu ihrem Vergnügen Bi+sexualität (privat oder öffentlich) zu performen. In vielen Communitys (insbesondere in solchen, die sich als alternativ, offen oder liberal betrachten) kann performative Bi+sexualität ein Standard sein, den alle Frauen erfüllen müssen. Dies bedeutet, dass dort Frauen unter Druck gesetzt werden, mit anderen Frauen sexuell zu sein, um heterosexuelle cis Männer zu befriedigen. Obwohl dies hauptsächlich bi+sexuellen Frauen schadet (von denen angenommen wird, dass sie das wollen, weil sie sich als bi+ identifizieren), wirkt es auch gegen monosexuelle Frauen. Das alles bedeutet, dass Bi+feindlichkeit gegen Frauen nicht nur bi+ Frauen betrifft, sondern alle Frauen und weiblich gelesene Personen, unabhängig von ihrer sexuellen Identität.

Bi+sexuelle Frauen erleben am wahrscheinlichsten partnerschaftliche Gewalt

Misogynie scheint in vielerlei Hinsicht durch die intersektionale Überschneidung der Diskriminierungsformen bei bi+sexuellender Frauen ein Maximum zu erreichen. Für bi+sexuelle Frauen (und solche, die als Frauen gelesen werden), ist die Gefahr, von (cis-männlicher) partnerschaftlicher Gewalt betroffen zu sein, nochmal höher als für heterosexuelle Frauen, so unter anderem eine Studie vom „National Center for Injury Prevention and Control“ in den USA.

Bi+sexuelle entwickeln am wahrscheinlichsten Angsterkrankungen und Depressionen

Dadurch, dass Bi+sexualität oft geleugnet, unsichtbar gemacht, hypersexualisiert und stigmatisiert wird – sowohl innerhalb als auch außerhalb von queeren Kreisen –, leiden Bi+sexuelle, verglichen mit hetero- und homosexuellen Menschen, in höherem Maße an Depressionen, Angststörungen und Suizidalität. Das zeigt beispielsweise der Canadian Community Health Survey. Bei bi+sexuellen Frauen ist der Wert am höchsten.

Bi+sexuelle outen sich am spätestens, manchmal nie

Laut einer Analyse des Pew Research Center mit veröffentlichten Umfragedaten der Stanford University sind bi+sexuelle Erwachsene viel seltener als Schwule und Lesben vor den für sie wichtigen Menschen in ihrem Leben geoutet. Nur 19% derjenigen, die sich als bi+sexuell identifizieren, sagen, dass alle oder die meisten wichtigen Personen in ihrem Leben sich ihrer sexuellen Orientierung bewusst sind. Im Gegensatz dazu sagen 75% der schwulen und lesbischen Erwachsenen dasselbe. Etwa ein Viertel der bi+sexuellen Erwachsenen (26%) ist vor keiner der für sie wichtigsten Personen in ihrem Leben geoutet, verglichen mit 4% der schwulen und lesbischen Erwachsenen.

Keine oder schlechte Repräsentation in der Popkultur

Laut der Studie „Unseen on Screen“ der britischen Organisation Stonewall, waren von fast 127 Stunden des untersuchten britischen Fernsehens nur fünf Minuten und neun Sekunden der Darstellung bi+sexueller Charaktere gewidmet. (Zum Vergleich: Vier Stunden und 24 Minuten wurden schwulen Männern gewidmet, 42 Minuten lesbischen Frauen, trans Personen wurden in dieser Studie nicht untersucht.) In einer US-amerikanischen Studie stellte der prominente Forscher Gregory Herek fest, dass für heterosexuelle Zuschauer*innen – mit Ausnahme von intravenösen Drogenkonsument*innen – Bi+sexuelle die am wenigsten gemochten Filmfiguren sind, ein Faktor, der die Film- und Fernsehbranche durchaus beeinflussen kann. Selbst wenn es historische, bekannte und andere Persönlichkeiten gibt, die als bi+sexuell bekannt sind, werden sie im Allgemeinen entweder als heterosexuell oder schwul / lesbisch bezeichnet (zum Beispiel Freddie Mercury, Virginia Woolf oder Lady Gaga). Die Soziologin Surya Monro sagt im Interview mit Deutschlandfunk, dass bi+sexuelle Menschen in Filmen und Serien zu wenig als ganz normale Menschen angesehen werden, die auch ganz normal studieren, Eltern sind und in den Urlaub fahren. „Sie werden nur sexualisiert dargestellt. Das ist außerordentlich problematisch. Es reduziert sie darauf, Sexobjekte zu sein.“

Mangelnde Forschung

Auch an Forschung zum Thema mangelt es in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum, weshalb die wenigen Studien, die es gibt, i. d. R. aus anderen (englischsprachigen) Ländern stammen. Es wäre schon viel damit getan, wenn in (deutschsprachiger) Forschung LGBTQIA+ nicht als ein einheitliches Element erforscht würde, sondern in seinen einzelnen Bestandteilen. Besonders zwischen homosexuell und bi+sexuell wird oft nicht unterschieden, sondern nur zwischen binärem Geschlecht, sodass die Unterschiede nicht sichtbar gemacht werden können, die Ergebnisse der Bi+sexuellen die der Homosexuellen beeinflussen und damit keine der beiden Gruppen richtig abgebildet ist.

Quellen:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/tabuthema-bisexualitaet-vom-stigma-auf-frauen-und-maenner.976.de.html?dram:article_id=409655

https://www.pewresearch.org/fact-tank/2019/06/18/bisexual-adults-are-far-less-likely-than-gay-men-and-lesbians-to-be-out-to-the-people-in-their-lives/

https://www.cdc.gov/violenceprevention/pdf/nisvs_sofindings.pdf

Ward BW, Dahlhamer JM, Galinsky AM, Joestl SS. Sexual orientation and health among U.S. adults: national health interview survey, 2013. Natl Health Stat Report. 2014 Jul 15;(77):1-10. PMID: 25025690.

Eisner, Shiri (2013). Bi: Notes for a Bisexual Revolution. Seal Press.

Yoshino, Kenji (2000). The Epistemic Contract of Bisexual Erasure. Stanford Law Review, 52(2), 353. https://doi.org/10.2307/1229482

Queer Lexikon: www.queer-lexikon.net

Stonewall (2011). Unseen on Screen.

Herek, G. M. (2002). Heterosexuals’ attitudes toward bisexual men and women in the United States. The Journal of Sex Research, 39(4), 264–274. https://doi.org/10.1080/00224490209552150